Naturheilkunde in der Zahnmedizin

„An jedem Zahn hängt immer auch ein ganzer Mensch“ lautet ein bekannter Buchtitel und sensibilisiert damit für die Tatsache, dass eine Zahnmedizin, die den Zahn- und Kieferbereich isoliert von anderen körperlichen und seelischen Befindlichkeiten betrachtet, zu kurz greift: Mundraum und Gesicht können Ausdrucksgebiet vielfältigster Erkrankungen sein. Ein falscher Aufbiss, psychisch bedingte Prothesenunverträglichkeiten, funktionelle Schmerzzustände in den Gesichtsnerven, aber auch Zahnkaries, Parodontose sowie Zahnstellungs- und Kieferanomalien sagen immer auch etwas über den „restlichen“ Menschen aus. Die Berücksichtigung und die Mitbehandlung psychischer Faktoren ersparen dem Patienten nicht nur lange Leidenswege, sondern auch kostspielige Behandlungsformen.

Zähne und Psychosomatik

Vor der Betrachtung spezifischer Krankheitsbilder lohnt sich ein Blick auf die psychosymbolische Bedeutung des Kauapparates: Zahnsubstanz ist das härteste Material im menschlichen Körper, wesentlich härter als der Knochen. Ihre Härte macht die Zähne zu starken Waffen. Wie sehr sie mit dem Thema Aggression zusammenhängen, kommt im Sprichwort „jemandem die Zähne zeigen“ zum Ausdruck. Das Fletschen der Zähne ist besonders bei Tieren als Ausdruck von Kampfbereitschaft und Kampfeslust bekannt. Zähne haben viel mit den Themen Welteroberung, Vitalität und Potenz zu tun. Wer „auch morgen noch kraftvoll zubeißen“ kann, wird wenig Probleme mit der Bewältigung seiner Alltagsaufgaben haben, während jemand, der sich nicht recht „zuzubeißen“ traut, es schwerer haben wird, sich in entscheidenden Situationen „durchzubeißen“. „Biss zu haben“ bedeutet, dass man sich nicht so schnell „die Butter vom Brot nehmen lässt“ und wenn man jemandem „einen Zahn ziehen“ will, möchte man in Wirklichkeit das aggressive Verhalten des Anderen eindämmen.

Die verschiedenen Erkrankungen des Zahn- und Kieferapparates sollten daher nicht isoliert betrachtet und behandelt werden. Sie sind in ihren unterschiedlichen Ausprägungen immer auch verschlüsselte Hinweise für einen ganz spezifischen, individuellen Konflikt, den es aufzuspüren und mitzubehandeln gilt.

 

Heilpflanzen in der naturheilkundlichen Begleitung von zahnärztlichen Behandlungen sowie zur Amalgamausleitung

 

Ausgewählte Heilpflanzen, am besten als Urtinktur, homöopathische Tiefpotenz oder Frischpflanzenpreßsaft eingenommen, reduzieren nicht nur Zahn- und Zahnfleischbeschwerden, sondern können auch sanft die dahinter stehenden seelischen Ursachen mitbehandeln. Frischpflanzenpreßsäfte sind am ehesten im Reformhaus zu erhalten. Homöopathische Tiefpotenzen und pflanzliche Urtinkturen der unten besprochenen Pflanzen sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Eine Urtinktur dosiert man mit 1 bis 3 mal täglich 3 bis 5 Tropfen, je nach Stärke der Beschwerden sowie Alter und Sensibilität des Patienten. 

Praktische Tipps zur Selbstbehandlung von Zahnarztangst und Zahnerkrankungen mit Heilpflanzen

 

Bursa pastoris und das Zahnfleischbluten

Die Wirkung von Bursa pastoris (Hirtentäschel) lässt sich am leichtesten erschließen, wenn man die Pflanzengestalt betrachtet. Hirtentäschel ist ein filigranes Kraut mit langen Stängeln, die so unscheinbar sind, dass die Pflanze in der freien Natur kaum auffällt. Doch verfügt ihre Pflanzensignatur über eine besondere Eigenart, in der sich die Heilpflanzenwirkung symbolisch verkörpert: Die Fruchtschoten des Hirtentäschels sind wie Pfeilspitzen geformt. Normalerweise geht die Bewegung eines Pfeils von innen nach außen und ist zur Peripherie hin gerichtet. Bei den pfeilartigen Fruchtschoten von Bursa pastoris verhält es sich jedoch genau umgekehrt: Die Pfeilspitzen zeigen nach innen, zum Stängel und damit zur Pflanzenmitte hin. Der Fluß der Kräfte verströmt sich nicht nach außen, sondern nach innen. Es ist das Wesen des Hirtentäschels, das Eigene zu bewahren und jeglichen Verlust an Lebenskraft und Lebenssaft (Blut) zu verhindern. Seit vielen Jahrhunderten gilt Bursa pastoris als erstrangiges Mittel bei Blutungen aller Art. Auf der pharmakologischen Ebene wird die Wirkung der Pflanze durch ein Peptid mit blutstillender Wirkung hervorgerufen. Hirtentäschel ist ein vorzügliches Mittel für Menschen, die ihr Eigenes nicht ausreichend bewahren können und eine Tendenz zu verlängerten Blutungen besitzen. Es ist ein zuverlässiger Blutstiller bei akutem und chronischem Zahnfleischbluten und bei Blutungen nach zahnärztlichen Eingriffen.

Calendula für die Beschleunigung der Wundheilung

Die Pflanzensignatur von Calendula (Ringelblume) weist eine seltene Besonderheit auf: Wenn man ihre Blüten am Stiel abschneidet, bildet sich nach sehr kurzer Zeit an der Schnittstelle ein weißlicher Saft, der rasch trocknet, die Schnittstelle abdichtet und sich zu einer kompakten Schicht verfestigt. Das Verschließen von Wunden und die Heilung des gestörten Energiefeldes über einer Wunde sind das Thema von Calendula. Ihre leuchtenden orangefarbenen Blüten strahlen etwas Sinnenfrohes und Balsamisches aus. Alle Pflanzenteile sind von einer leicht klebrigen, balsamischen Substanz überzogen, die ein warmes, lebendiges Aroma verbreitet. Auf der pharmakologischen Ebene wird dieser Effekt durch ätherische Öle, Triterpenalkohole und vor allem durch das entzündungshemmende und abschwellende Faradiol unterstützt. Klassische Indikationen für Calendula in der Zahnmedizin sind Wunden nach Verletzungen oder mechanischer Reizung, ferner chronische Zahnmarkentzündung und Zahnfleischentzündung, vor allem infolge psychisch-nervaler Belastung, wenn „die Nerven blank liegen“ und im übertragenen Sinne einer schützenden und zudeckenden Beruhigung bedürfen.

Chamomilla zur Dämpfung einer gesteigerten Schmerzempfindlichkeit

Betrachtet man einen blühenden Kamillenstrauch, springt ein Aspekt der Blütenform sofort ins Auge: Ein im Vergleich zu den zarten weißen Blütenblättchen ungewöhnlich dicker und hochgewölbter gelber Blütenboden. Die spezifische Kamillenwirkung wird vor allem dann deutlich, wenn man den Blütenboden in Längsrichtung von oben nach unten aufschneidet. Dann wird ein luftgefüllter Hohlraum sichtbar, der spontan an ein Luftkissen erinnert. Das zentrale Wesen der Kamille ist Dämpfung – vor allem die Dämpfung übersteigerter Sinnesempfindlichkeit, die sich in Krampfzuständen, Reizbarkeit und erhöhter Schmerzempfindlichkeit äußern kann. Auf der pharmakologischen Ebene wird die schmerzlindernde und auch entzündungshemmende Wirkung der Kamille durch ätherisches Öl, Flavonoide und Sesquiterpenlactone hervorgerufen. Chamomilla verringert die Schmerzempfindlichkeit und Entzündungsneigung bei zahnärztlichen Eingriffen und ist vor allem bei hoch sensiblen und nervösen Patienten ein wertvolles Begleitmittel. Seine krampflösenden und entspannenden Wirkungen macht die Kamille außerdem zu einer wertvollen Heilpflanze in der Behandlung des nächtlichen Zähneknirschens (Bruxismus).

Equisetum fördert die Geweberegeneration, auch bei Implantatbehandlungen

Equisetum arvense, der Ackerschachtelhalm, ist eine Pflanze, die schon rein äußerlich völlig aus dem Rahmen des Gewohnten fällt: Man sucht vergeblich die übliche Gliederung der oberirdischen Teile Stängel, Blatt und Blüte. Blüten gibt es überhaupt nicht und die Blätter sind auf kleinste Blattscheiden reduziert.

Ackerschachtelhalm ist Pflanze gewordene Struktur: Er ist begrenzt auf eine skelettartige Form mit ineinander geschachtelten Abschnitten, die wie zusammengesteckt wirken. Dazu kommt ein außergewöhnlich hoher Kieselsäuregehalt. Wird der Ackerschachtelhalm verbrannt, bleibt am Ende die ursprüngliche Pflanzengestalt als weißes Aschegerüst erhalten.

Das Wesen des Schachtelhalms ist Restrukturierung und Wiederherstellung der natürlichen Gewebeorganisation. Seine abschwellende Wirkung erleichtgert es einem aus der Form geratenen Körperteil wieder zu seiner ursprünglichen Struktur zurück zu finden. In der Zahnmedizin ist Equisetum vielfältig einsetzbar: Zur Bindegewebsreinigung nach Amalgamsanierung, zur Geweberegeneration nach größeren zahnärztlichen Eingriffen (als Folgemittel von Arnica) und zur Festigung des Kieferknochens vor und während einer Implantatbehandlung.

Hypericum reduziert die Angst vor dem Zahnarzt

Hypericum (Johanniskraut) blüht zur Zeit der Sommersonnenwende, wenn die Tage am längsten und das Licht am intensivsten sind. Sein Thema ist die Aufnahme und Speicherung von Sonnenlicht und die Umwandlung des Lichts in Nervenkraft. Ist bei einem Menschen die Aufnahmefähigkeit für Licht reduziert bzw. das Lichtangebot herabgesetzt, z. B. durch trübe Witterung und häufiger Aufenthalt in Räumen mit künstlichem Licht, wirkt Johanniskraut im wahrsten Wortsinn „aufhellend“. Die stimmungsverbessernde und antidepressive Wirkung von Hypericum wird auf der pharmakologischen Ebene durch die Inhaltsstoffe Hypericin und Hyperforin unterstützt. In der Zahnarztpraxis empfiehlt sich der Einsatz von Hypericum zur Beruhigung des Patienten vor Behandlungsbeginn, bei ängstlichen und psychisch labilen Patienten schon einige Tage vor der zahnärztlichen Behandlung bzw. in den Behandlungsintervallen bei Mehrfachterminen. Kindern mit Zahnarztangst gibt man eine Stunde vor dem Termin einige Tröpfchen einer Johanniskraut-Urtinktur und einige Tröpfchen einer Kamillen-Urtinktur auf die Zunge.

Johanniskraut lindert auch Nervenschmerzen nach zahnärztlichen Eingriffen.

Schwermetallausleitung –

Eine wichtige Basistherapie bei vielen Krankheitsbildern mit unklarer Ursache

Ein Übermaß an Schwermetallen, die sich als Folge von vielen Amalgamfüllungen im Bindegewebe anreichern können, kann zu vegetativen Fehlregulationen, rheumatischen und anderen Erkrankungen führen.

Die Ausleitung von Quecksilber aus dem Bindegewebe lässt sich mit arzneilichen Zubereitungen aus den passenden Heilpflanzen nachweislich anregen und unterstützen:

Allium ursinum (Bärlauch) verbessert die Ausscheidung von Schwermetallen über eine Anregung der Nierenfunktion. Bärlauch ist eine Pflanze von starker Expansionskraft, die sich im Organismus durch Bindegewebsreinigung und Toxindrainage entfaltet. Pharmakologisch wird die Bärlauchwirkung durch Vinyldisulfid, Flavonoide und Prostaglandine unterstützt.

Coriandrum (Koriander) führt zu einer verstärkten Mobilisation und Ausleitung von Schwermetallen aus dem Bindegewebe, insbesondere von Quecksilber, wobei sich eine Kombination mit Allium ursinum (für die Ausleitung über die Nieren) und den Algenpräparaten Chlorella bzw. Spirulina (für die Ausscheidung über den Darm) bewährt hat. Yoshiaki Omura beobachtete in einer Studie eine gute Schwermetallausleitung durch die Gabe von 3 – 5 g frischem Korianderkraut (Omura Y., Lorberboym M., Acupuncture & Electrotherapeutics res. Int. J. Vol. 20 pp. 133 – 148, 1995). Der schwermetallausleitende Effekt wird nicht nur durch frischen Koriander, sondern auch durch den Einsatz einer aus frischem, blühenden Korianderkraut schonend hergestellten Urtinktur erreicht.

Carduus marianus (Mariendistel) regt nach einer Amalgamsanierung die Regeneration der Leberzellen an. Mariendistel ist die Heilpflanze der Wahl bei Leberschäden durch Lebergifte wie Alkohol, Umweltgifte, Schwermetalle etc. Im Mittelpunkt der Heilpflanzenwirkung steht das Silymarin, ein Wirkstoffkomplex aus verschiedenen Flavanolignanen, ferner Flavonoide und fettes Öl.

Geranium robertianum (Storchenschnabel) fördert die Quecksilberausscheidung über eine Aktivierung des Lymphflusses. Storchenschnabel hat eine ziehende, reinigende und entgiftende Wirkung sowohl auf den Körper wie auch auf den psychischen Bereich. Auf der körperlichen Ebene wird die entgiftende Wirkung durch den hohen Gerbstoffgehalt der Pflanze unterstützt.

Solidago (Goldrute) unterstützt die Schwermetallausscheidung über die Niere.

Die Goldrute gibt man bei Nierenentzündungen und zur Durchspülungstherapie bei Erkrankungen der ableitenden Harnwege, ferner bei Harngrieß, Harnsteinen und bei nierenbedingten Ödemen. Durch Solidago lässt sich die Nierenaktivität steigern, ohne dass es zu einer Reizung des Gewebes kommt. Diese Wirkung wird erreicht durch die spezifische Kombination von ätherischem Öl, Flavonoiden, Diterpenen, Saponinen und Phenolglykosiden.

Taraxacum (Löwenzahn) regt die Quecksilberentgiftung über eine Verbesserung der Leber-, Nieren- und Stoffwechselaktivität an. Man gibt die Pflanze bei ungenügender Leberfunktion, Stoffwechselkrankheiten und allen Erkrankungen, die infolge einer unzureichenden Aktivität der Leber entstanden sind. In schweren Fällen lässt sich eine Schwermetallausleitung mit Taraxacum sehr gut vorbereiten, bevor man z. B. zu spezifischeren Schwermetallausleitern wie Allium ursinum oder Coriandrum übergeht.

Urtica dioica (Brennnessel) fördert die Schwermetallentgiftung über Blutreinigung und Anregung der Nierenfunktion. Die Brennnessel ist eine Heilpflanze mit großem Aggressionspotential, das sich im Körper sehr wohltuend in Form von Aktivierung und Ausleitung von Giftstoffen entfaltet. Wenn eine Schwermetallbelastung zu „Systemerkrankungen“ wie z. B. rheumatischen Beschwerden, geführt hat, hilft Urtica, die Ablagerungen dynamisch aufzubrechen und den Organismus von ihnen zu reinigen. Dieser Prozess wird unterstützt durch den hohen Chlorophyllgehalt der Pflanze und ihren ebenso reichlichen Gehalt an Mineralstoffen wie Kieselsäure, Kalium und Eisen sowie den biogenen Aminen Histamin, Serotonin und Cholin.

 

©  Margret Rupprecht

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