„Du sprichst: Mich reizet Obst nicht mehr. O, lass´ doch schauen! Du hast gewiss den Zahn nicht mehr zum Apfelkauen“, spottete der Dichter Friedrich Rückert vor zweihundert Jahren. Menschen verloren ihre Zähne nicht nur, weil diese kariös waren. Eine der häufigsten Ursachen für Zahnverlust in früheren Zeiten war die chronische Entzündung des Zahnhalteapparates (Parodontitis) infolge unzureichender Zahnpflege. Aber selbst heute, im Zeitalter von elektrischen Zahnbürsten, fluor- und putzkörperchenhaltigen Zahnpasten und antiseptisch wirkenden Mundspülungen ist die Parodontitis nicht ausgestorben. Sie gehört noch immer mit zu den häufigsten Krankheitsbildern in der zahnärztlichen Praxis.
Das Wort Parodontitis leitet sich vom altgriechischen para – neben und odous – Zahn ab, da es sich hier um eine Erkrankung des Zahnbetts handelt. Nicht der Zahn selbst ist also betroffen, sondern seine unmittelbare Umgebung, der sog. Zahnhalteapparat. Jede einzelne Zahnwurzel ist nämlich nicht bündig in die zugehörige Höhle des Kieferknochens eingepasst: Im Spalt zwischen Zahnwurzel und Knochen liegt die sogenannte Wurzelhaut, die den Zahn sicher im Zahnfach befestigt, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass der Druck auf den Kieferknochen abgepuffert wird. Denn unter zu großer Druckbelastung würde sich das Knochengewebe zurückziehen. Die Wurzelhaut des Zahnes dient also nicht nur der Verankerung, sondern auch der Druckentlastung. Wo der Zahnhals in den Zahn übergeht, endet die Wurzelhaut und geht ihrerseits in das Zahnfleisch über, den äußeren Bestandteil des Zahnhalteapparates. Der dichte Anschluss des Zahnfleisches an den Zahn wird wiederum durch Bindegewebsfasern gewährleistet, die vom Zahn in das Zahnbett einstrahlen bzw. den Zahnhals ringförmig umlaufen. Das „System Zahnhalteapparat“ ist also komplex – und daher ziemlich störanfällig.
Neben der Zahnbettentzündung gibt es noch die Zahnfleischentzündung (Gingivitis) im äußeren Bereich am Zahnrand. Diese hat in der Regel noch nicht das Zahnbett angegriffen.
Zahnbelag (Plaque) und Zahnstein, die aufgrund mangelnder Zahnhygiene nicht jeden Tag gründlich entfernt werden, führen daher nicht nur zu Zahnfäule (Karies), sondern auch zu Zahnfleischentzündungen in der unmittelbaren Zahnumgebung, z. B. den Zahnzwischenräumen, sowie zur Bildung von Zahnfleischtaschen im Bereich der Wurzelhaut. Diese Taschen entzünden sich, wenn sie nicht mindestens zwei Mal täglich sorgfältig gepflegt werden. Sie bilden für Bakterien ein geradezu ideales Nest, um eine chronische Entzündung auszulösen … eine Parodontitis entsteht. Diese geht unbehandelt im Laufe der Jahre in die sog. Parodontose über, d. h. einem allmählichen Zahnfleischschwund und Abbau des Kieferknochens, was irgendwann zum Zahnausfall führt.
Für die Entwicklung einer Parodontitis gibt es zahlreiche Gründe. Ganz zuoberst steht die mangelnde Mundhygiene mit unzureichender Entfernung von Zahnbelag und Zahnstein. Aber auch Rauchen, Diabetes mellitus, offene Zahnkaries, Mundatmung und nächtliches Zähneknirschen fördern die Entzündung des Zahnbetts. Weitere Ursachen sind Vitaminmangel durch Fehlernährung, Immunsuppressiva, Chemotherapie sowie die Abwehrschwäche bei Transplantations- und HIV-Patienten. Eine chronische Parodontitis kann vom Patienten lange unbemerkt bleiben. Sie ist im Anfangsstadium meist nicht schmerzhaft und führt erst nach Jahren zu Schmerzen und Zahnbeschwerden wie Bluten, Eiterung und Mundgeruch. Wer sich vitaminreich ernährt, kann die Bakterien lange davon abhalten, weiter in die Tiefe vorzudringen. Bei Abwehrschwäche und Stress hingegen entwickelt die chronische Parodontitis akute Schübe. Das Zahnfleisch blutet und eitert dann stärker. Infolge der chronischen Eiterung verschlimmert sich auch der Mundgeruch. Je früher man Gegenmaßnahmen ergreift, desto leichter lässt sich die Parodontitis ausheilen und der betroffene Zahn bleibt im Zahnbett fest verankert, muss also nicht irgendwann gezogen werden.
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