Prämenstruelles Syndrom

„Das Weib ist Weib durch das Fehlen gewisser Eigenschaften. Wir müssen das Wesen der Frau als etwas betrachten, was an einer natürlichen Unvollkommenheit leidet“, schrieb der griechische Philosoph Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Christus. Sein Satz wurde zur Steilvorlage eines patriarchalischen Blicks auf den weiblichen Menschen. Die historisch bedingte Unkenntnis über das hormonelle Geschehen im weiblichen Körper führte zu einer massiven moralischen Abwertung immerhin einer ganzen Hälfte der Menschheit. Diese Sichtweise wird allmählich Vergangenheit, denn wir wissen heute viel mehr über den Körper der Frau und das komplexe hormonelle Geschehen, das sich jeden Monat in ihm ereignet. Dieses Wissen ermöglicht uns einen positiven Umgang mit Weiblichkeit und hilft Frauen auf dem Weg, mit sich selbst besser umzugehen.

 Bei etwa 20 – 30 Prozent der Frauen entwickelt sich nach dem 30. Lebensjahr ein Beschwerdebild, das von ausgeprägten körperlichen und seelischen Symptomen gekennzeichnet ist: Das sog. Prämenstruelle Syndrom (PMS). Die Beschwerden an den „Tagen vor den Tagen“ entstehen vor allem in der letzten Zykluswoche und können von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein: Nervosität, Reizbarkeit, Depression, Migräne, Kopfschmerzen, Spannungsgefühle in der Brust, Wassereinlagerungen im Gewebe, Verstopfung und Völlegefühl sind die häufigsten Symptome, die während der Endphase des Zyklus auftreten können. Viele Beschwerden dieser Zeit sind derart subtil, dass eine Frau sie zunächst gar nicht mit der bevorstehenden Menstruation in Verbindung bringt: Sie fühlt sich ungeschickt, hat Schwierigkeit beim Benutzen von Küchengeräten oder Autofahren, neigt zu übereilten Entscheidungen oder zweifelt an deren Richtigkeit, fühlt sich verwirrt und ist innerlich unruhig, entwickelt Heißhunger auf Süßigkeiten oder stark gesalzene Speisen, ist ohne äußeren Grund niedergeschlagen und hoffnungslos, wird vergesslich, leidet unter plötzlichen Stimmungsschwankungen, isst mehr als sonst und ermüdet schneller. Bei manchen Frauen verändert sich in dieser Phase sogar die Handschrift. Da wundert es nicht, wenn auch Männer ratlos werden und sich fragen, was mit ihrer Partnerin eigentlich los ist. Mit dem Einsetzen der Periode bessern sich die Symptome schlagartig und die Frau fühlt sich wieder „normal“. Doch fordert die Auseinandersetzung mit PMS in besonderer Weise dazu auf, den Begriff weiblicher Normalität kritisch zu hinterfragen. Denn Frauen, die von sich verlangen, stets gleichförmig zu funktionieren, leiden auffällig häufig an PMS, während andere, die das Auf und Ab ihres monatlichen Zyklus besser akzeptieren und mit ihm mitschwingen können, deutlich weniger prämenstruelle Beschwerden entwickeln.

Prämenstruelles Syndrom – auch eine Frage der Sozialisierung

In einer Leistungsgesellschaft stellt die monatliche Schwächung der Frau durch die Menstruation, vor allem bei Berufstätigkeit, einen ökonomischen Nachteil dar. Die Periodenblutung wird tendenziell negativ bewertet, da sie die körperliche und seelische Leistungsfähigkeit für einige Tage etwas herabsetzt. Daraus entwickelt sich bei manchen Frauen eine negative Erwartungshaltung gegenüber der monatlichen Blutung: es entsteht eine sich selbst erfüllende negative Prophezeiung. Die eigene Weiblichkeit wird tief in der Psyche latent abgelehnt, weil frau sie als störend empfindet. Begünstigend auf die Entwicklung einer PMS-Symptomatik wirken auch nicht verarbeitete Fehlgeburten oder ein unerfüllter Kinderwunsch – sei er bewusst oder unbewusst. Die monatliche Blutung konfrontiert die Frau immer wieder mit der nicht eingetretenen Schwangerschaft. Das ist im doppelten Sinne schmerzhaft und kann bereits Tage vorher zu inneren Spannungen und Unglücklichsein führen. Oft fehlen bei PMS-Patientinnen positive weibliche Leitbilder. Sei es, dass die eigene Mutter früh verstarb und als Identifikationsfigur fehlte oder die Patientin zu ihrer Mutter ein eher gespanntes Verhältnis pflegt und sich als Kind von ihr nicht wirklich angenommen fühlt. Bei manchen Frauen gibt es über mehrere Generationen eine regelrechte Tradition von Dysmenorrhoe (schmerzhafte Periodenblutung) und PMS. Wenn ein Mädchen erfährt, dass sich bereits Großmutter und Mutter innerlich gegen ihre Menstruation auflehnten und sie stets mit Schmerzen und Beschwerden erlebten, wird die junge Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine negative Haltung zu ihrem Zyklus entwickeln.

Beschwerden im Umfeld der Periodenblutung können auch Hinweis auf eine seelische Entwicklungsverzögerung sein. Wird ein Mädchen von der Mutter überbehütet, fällt es ihm schwerer, das heimatliche Nest zu verlassen und eine erwachsene Frau zu werden, ebenso wie eine junge Frau, die zuhause zu wenig Liebe und Anerkennung erfuhr und mit seelischen Defiziten ins Erwachsenenleben gehen muss. In beiden Fällen können prämenstruelle und dysmenorrhoische Beschwerden zum sog. sekundären Krankheitsgewinn (Aufmerksamkeit, Versorgtwerden, Rückzug) verhelfen und Ausdruck uneingestandener regressiver Wünsche sein: die Frau möchte eigentlich noch Kind bleiben oder wieder Kind sein, weil sie sich innerlich nicht wirklich in der Lage fühlt, eine erwachsene Frau zu werden.

Selbstbewusst Frau sein

PMS ist eine multikausale Störung, die sich nicht nur auf bestimmte hormonelle Dysbalancen zurückführen lässt. Die beschriebenen psychosozialen Bedingungen spielen bei der Aufrechterhaltung des Beschwerdekomplexes eine weitaus größere Rolle. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die hormonelle Situation: In der zweiten Zyklushälfte steht der weibliche Körper unter dem Einfluss des Hormons Progesteron. Dieses sorgt für den Abbau der Gebärmutterschleimhaut, wenn es nicht zur Einnistung eines befruchteten Eis gekommen ist. Beschwerden in dieser Phase deuten auf Schwierigkeiten mit dem Abbauen und Loslassen. Die Lebenssituation im Bereich der eigenen Weiblichkeit ist angespannt – und zwar bis in Kopf, Brust und Bauch hinein. Dahinter verbirgt sich ein latenter Schmerz, dem mütterlichen Aspekt nicht gerecht werden zu können und keine wirklich fruchtbare Beziehung zu leben. Er äußerst sich in dieser Phase nicht selten auch in einer ausgeprägten sexuellen Unlust: „Rühr mich nicht an!“

Viel ist gewonnen, wenn sich die betroffene Patientin dieser Zusammenhänge bewusst wird. Die Indikatorfunktion der körperlichen Symptome beginnt sich zu erübrigen, wenn die Frau die seelischen Ursachen ihrer Beschwerden mehr und mehr verstehen lernt. Denn dann lassen sie sich auch bearbeiten.

Frauen haben ein grundsätzlich anderes Welt- und Selbsterleben als Männer. Es ist – bildlich gesprochen – weniger linear, stattdessen stärker wellenförmig. Das Gefühlsleben einer Frau kennt ein stärkeres Auf und Ab – ähnlich wie die Phasen des Mondes. Nicht Gleichförmigkeit ist für sie „normal“, sondern ein zyklisches Schwingen. Für PMS-Patientinnen ist es äußerst wichtig, dies zu verstehen und innerlich annehmen zu lernen. In dem Maße, wie sie sich an den weiblichen Zyklus des „Stirb und werde“ hingeben können und es lernen, ihn jeden Monat geschehen zu lassen, wird sich ihre PMS-Symptomatik bessern. Die Tabuisierung der Menstruation in einer Leistungsgesellschaft gilt es zu erkennen und zu durchschauen. Statt zähneknirschend durchzuhalten ist bewusstes Loslassen hilfreich. Frauen dürfen einfordern, dass man ihnen Achtung, Respekt und Rücksichtnahme entgegenbringt statt sie in der Zeit vor und während der Monatsblutung wegen ihrer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit abzuwerten. Die beste Therapie bei PMS ist die Entwicklung eines stärkeren weiblichen Selbstbewusstseins!

Prämenstruelles Syndrom: Praktische Tipps zur Selbstbehandlung

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© Margret Rupprecht

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