Reizdarmsyndrom (Colon irritabile)

Das Syndrom des gereizten – irritablen – Darms ist ein häufig vorkommendes Krankheitsbild. Etwa fünfzig Prozent aller Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden leiden unter einem Reizdarmsyndrom, wobei Frauen mehr als doppelt so häufig betroffen sind wie Männer.

Im Mittelpunkt der Erkrankung steht der Dickdarm. Er übernimmt die Funktion eines psychosomatischen Projektionsfeldes, wenn Außenreize innerseelisch nicht angemessen verarbeitet werden können. Häufig betroffen sind Menschen, die psychisch besonders sensibel sind. Die Beschwerden verstärken sich bei Anspannung, Ärger und Stress. Wenn man nicht in ausreichendem Maße über die Fähigkeit verfügt, Belastungsmomente im eigenen Leben wahrzunehmen, auszusprechen sowie Lösungs- und Kompensationsmöglichkeiten zu entwickeln, dann schlägt die ungelöste Problematik dem Betroffenen auf den Bauch und kann sich mit einer Fülle verschiedenartiger Beschwerden äußern.

 

Ein Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine Ausschlussdiagnose. Sie wird gestellt, wenn alle laborchemischen Untersuchungen und bildgebenden Verfahren „ohne Befund“ sind, d. h. Blutbild, Stuhlbefund, Ultraschall, Darmspiegelung, Bauch-Computertomografie etc. keinerlei Hinweise auf die zum Teil massiven Beschwerden geben.

Reizdarmsyndrom: Typische Symptome

Unter einem Reizdarmsyndrom, fachsprachlich auch Colon irritabile genannt, versteht man einen Symptomenkomplex, der durch Störungen der Darmfunktion charakterisiert ist, die mit Stuhlunregelmäßigkeiten wie Verstopfung, Durchfall, Abgang von Schleim, Druckgefühlen im Bauch und krampfartigen Schmerzen einhergehen. Im Wesentlichen handelt es sich um Störungen der Darmbewegungen. Der Patient ist schulmedizinisch gesehen gesund; Untersuchungen des Darmes bleiben fast immer ohne Befund. Der körperliche Zustand betroffener Patienten ist gut, ihr Wohlbefinden allerdings stark beeinträchtigt. Ein Reizdarmsyndrom tritt in drei verschiedenen Formen auf, die zu unterschiedlichen Beschwerdebildern führen:

 

Der Verstopfungstyp

Die häufigste Form des Reizdarmsyndroms äußert sich mit Verkrampfungszuständen im Bereich des Dickdarms, die mit Bauchschmerzen und Verstopfung einhergehen. Der Darm ist angespannt, was seine peristaltische Bewegung und damit den Weitertransport des Stuhls blockiert. Seltene Stuhlgänge, Darmträgheit und ein permanentes Gefühl von unvollständigem Entleertsein, auch direkt nach einem Stuhlgang, sind die Folge. Der Stuhl wird häufig entweder in Form von schafskotartigen Ballen oder bandförmig als relativ dünne Stuhlstangen abgesetzt. Die Bauchschmerzen können dumpf, krampfartig oder brennend sein, sind vorwiegend im linken Unterbauch lokalisiert und bessern sich häufig nach einer Stuhlentleerung, aber auch durch Hinlegen, während der Nachtruhe und durch körperliche Bewegung.

 

Der Durchfalltyp

Bei der zweiten Manifestationsart des Reizdarmsyndroms kommt es zu breiig-wässrigen Stuhlentleerungen meist ohne, gelegentlich aber auch mit der Beimengung von Nahrungsresten wie Maiskörnern oder nicht ausreichend gekauten Nüssen. Auch hier lassen sich manchmal Schleimbeimengungen beobachten.

 

Mischformen

Etwa zwanzig bis vierzig Prozent der Reizdarm-Patienten klagen über einen Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung. Oft leiden sie monatelang unter Obstipation, dann wieder machen ihnen plötzlich auftretende Durchfälle zu schaffen. Sie beschreiben ihren Darm als sehr empfindlich und „unberechenbar“. Oftmals löst ein Lebensmittel bei Ihnen Durchfälle aus, während sie dasselbe Lebensmittel in anderen Lebensphasen problemlos vertragen können.

 

Neben den Verdauungsbeschwerden finden sich bei Reizdarmpatienten oft auch Symptome außerhalb des Bauchraumes, z. B. Kopf- und Rückenschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Angstzustände, Depressionen, Menstruations- und Herzbeschwerden. Selten tauchen bei einem Reizdarmpatienten alle oben aufgeführten Symptome auf; meistens sind es nur einige der genannten – diese sind aber lästig und unangenehm. Sie können das Wohlbefinden im Alltag dauerhaft und massiv beeinträchtigen.

Reizdarmsyndrom: Diagnose

Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese, dem ansonsten guten Zustand des Patienten und der körperlichen Untersuchung: oftmals sind harte Darmstränge tastbar und eine Ausdehnung der Bauchdecke sichtbar. Das Nachlassen der Beschwerden nach der Darmentleerung ist ein Leitsymptom des Reizdarmsyndroms. Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutbild und der Urinbefund des Patienten sind fast immer normal. Es empfiehlt sich, eine chemische Stuhluntersuchung auf okkultes Blut im Stuhl zum Ausschluss einer Darmkrebserkrankung durchzuführen, auch wenn dieser beim Reizdarm ohne Befund sein wird. Bei Verdacht auf eine Entzündung des Enddarms ist eine Sigmoidoskopie beim Gastroenterologen ratsam. Reizdarmpatienten sollten in regelmäßigen Abständen eine Darmspiegelung im Rahmen der Darmkrebsvorsorge durchführen lassen.

Reizdarmsyndrom: Die Rolle der Darmflora

Die Beschwerden eines Reizdarmsyndroms treten meist zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahr erstmalig auf und bleiben bei etwa der Hälfte der Patienten lebenslang bestehen. Allerdings kennt die Naturheilkunde zahlreiche wirkungsvolle Maßnahmen, um die Beschwerden erträglicher zu machen oder für lange Zeiträume auch zum Verschwinden zu bringen. Als eine von vielen Ursachen für die Entstehung eines Reizdarmsyndroms werden über längere Zeiträume bestehende Mikroentzündungen an der Darmwand, eine entgleiste Darmflora oder dem Patienten unbekannte Nahrungsmittelunverträglichkeiten diskutiert. Häufig ist es eine Antibiotikatherapie, eine Lebensmittelvergiftung oder eine mit Durchfall einhergehende Magen-Darm-Grippe, von dem sich Schleimhaut und Nervensystem des Darmes nie mehr ganz erholen und daraufhin wochen-, monate- und sogar jahrelang mit Verstopfung und Durchfall reagieren. Der Regeneration der Darmschleimhaut und der Verbesserung der Darmflora kommt daher in der Therapie des Reizdarmsyndroms eine ganz entscheidende Rolle zu.

Reizdarmsyndrom: Seelische Ursachen?

In ihrem Bestseller Darm mit Charme beschreibt die Autorin Giulia Enders ein interessantes Phänomen: „In einem Experiment wurde Probanden ein kleiner Ballon innerhalb des Darms aufgeblasen, während gleichzeitig Bilder der Hirnaktivität erstellt wurden. Bei beschwerdefreien Testpersonen bekam man ein normales Hirnbild ohne auffallende Gefühlskomponenten. Bei den Reizdarm-Patienten dagegen löste das Ausdehnen des Ballons eine deutliche Aktivität in einem emotionalen Hirnbereich aus, in dem sonst unangenehme Gefühle verarbeitet werden.“ Bei Reizdarmpatienten besteht also eine überdurchschnittlich enge Verbindung vom Darm zum Gehirn und umgekehrt. Sie reagieren im wörtlichen und im übertragenen Sinne besonders stark auf ein „ungutes Gefühl im Bauch“: ihre Reizdarmbeschwerden drücken bei ihnen auf die Stimmung, aber umgekehrt schlägt eine schlechte Stimmung – Nervosität, Trauer, Stress – bei ihnen ebenso schnell auf den Darm. Überdurchschnittlich häufig leiden diese Patienten unter Angstzuständen und Depressionen, nicht selten zeigt ihre Psyche auch zwanghafte und aggressive Züge. Menschen, die zu Perfektionismus in allen Lebensbereichen neigen, besonders anfällig für den heute allerorten grassierenden Optimierungswahn sind oder ihren Alterungsprozess nicht akzeptieren können, sind besonders anfällig für das Krankheitsbild. Es kann helfen, sich diese inneren Verkrampfungen bewusst zu machen und sie auflösen zu lernen: Man darf im Leben selbstverständlich Fehler machen, ein paar Pfündchen zunehmen oder Arbeit auch mal liegen lassen. Letztlich ist, vor allem beim Reizdarmsyndrom vom Verstopfungstyp, der Darm nichts anderes als ein psychosomatisches Projektionsfeld, der dem modernen Menschen bildlich zeigt, wo es bei ihm fehlt: nicht mehr entspannen zu können. Der Darm übernimmt dann eine Indikatorfunktion, ist verkrampft und dadurch nicht mehr fähig, peristaltische Wellen locker durch sich hindurch laufen zu lassen. Wenn Betroffene lernen, sich innerlich und äußerlich besser zu entspannen, kann sich die Indikatorfunktion des Darms erübrigen und er entspannt sich ebenfalls. Loslassen ist heilsam, heutzutage aber leichter gesagt als getan.

Bei Reizdarmpatienten, die eher zum Durchfall-Typ gehören, steht oft ein Angstthema im Hintergrund und will bearbeitet werden. Da kann die Frage weiterhelfen: Wovor „habe ich Schiß“ und wie kann ich dieses Problem lösen?

Reizdarmsyndrom: Praktische Tipps zur Selbstbehandlung

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© Margret Rupprecht